Eines der Ziele der Krankenhausreform, die mit dem KHVVG der vergangenen Legislaturperiode begonnen und mit KHAG fortgeführt wird, ist die Konsolidierung der Krankenhauslandschaft durch eine Konzentration der spezialisierten Versorgung. Die Pädiatrie hat den angestrebten Strukturwandel bereits durchlaufen und erhebliche Standortschließungen sind erfolgt. So sank zwischen 1991 und 2012 die Anzahl der Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin von 440 auf 364, bis 2023 reduzierte sich diese Zahl weiter auf jetzt nur noch 323 pädiatrische Einrichtungen.[1]
Im Gegensatz zur Erwachsenenmedizin besteht daher kein Bedarf mehr für eine zusätzliche Konzentration, vielmehr ist es erforderlich, um eine angemessene flächendeckende Versorgung zu gewährleisten, die bestehenden pädiatrischen Standorte mit ihren Spezialisierungen zu bewahren und finanziell abzusichern. Der Anspruch auf eine spezialisierte stationäre Versorgung darf in Deutschland nicht nur für Erwachsene, sondern muss uneingeschränkt auch für Kinder und Jugendliche gelten.
Struktur- und Qualitätsverlust
Die Kinder- und Jugendmedizin hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig weiterentwickelt und differenziert. Kliniken und Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin halten heute eine hochspezialisierte stationäre Versorgung vor, die die Erwachsenenmedizin analog nachbildet: z.B. Kinderrheumatologie und -gastroenterologie, pneumologie, und -nephrologie, etc. Zuletzt hat der 129. Deutsche Ärztetag 2025 beschlossen, insbesondere die vorgenannten Teilgebiete, in die (Muster)Weiterbildungsordnung der Ärzt*innen im Gebiet Kinder- und Jugendmedizin als Schwerpunkte des Gebietes, aufzunehmen. Die Krankheitsbilder von Kindern- und Jugendlichen unterscheiden sich häufig deutlich von denen der Erwachsenen und daher ist diese spezialisierte Versorgung mit hoher Expertise nur durch Pädiater möglich.
Die nicht nachvollziehbare Streichung der im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) eingeführten Leistungsgruppen Spezielle Kinder- und Jugendchirurgie (LG 16) und Spezielle Kinder- und Jugendmedizin (LG 47) bedeutet einen Rückschritt für die spezialisierte Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland und gefährdet fundamentale Errungenschaften der letzten Jahrzehnte.
Die daraus resultierende Überführung der spezialisierten Versorgung in Leistungsgruppen der Erwachsenenmedizin läuft der optimalen Versorgung von Kindern und Jugendlichen diametral entgegen. Die medizinisch erforderliche Versorgung der Kinder in Regionen mit geringerer Krankenhausdichte ist dadurch hochgradig gefährdet.
Unten die Stellungnahme des BVKJ im Einzelnen. Des Weiteren verweisen wir auf die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ).
Zu § 136c
Bei der Berechnung der Prozentzahlen sind die Eingriffe bei Kindern und Jugendlichen getrennt zu erfassen und zu bewerten.
Begründung:
Große kinderchirurgische Abteilungen könnten anderenfalls von der Versorgung ausgeschlossen werden, wenn an ihrem Standort keine fallzahlstarke Viszeralchirurgie besteht.
Zu Anlage 1
Zu LG 2
Sofern Kinder und Jugendliche behandelt werden, ist auf die LG 47 mit einem
FA Kinder- und Jugendmedizin mit ZW Kinder- und Jugend-Endokrinologie und Diabetologie zu verweisen. Wenigstens ist bei den Anforderungsbereichen „Personelle Ausstattung - Qualifikation und Verfügbarkeit“ jeweils das Wort „Alternative“ zu streichen und folgende Formulierung voranzustellen: „Sofern Kinder und Jugendliche behandelt werden:“
Zu LG 16
Die ersatzlose Streichung der LG 16 lehnen wir ab. Sie würde dazu führen, dass Kinder und Jugendliche vermehrt von Allgemeinchirurgen behandelt werden, auch weil so kleinere Häuser ihre Fallzahlen verbessern können. Kindern und Jugendlichen muss aber die qualitativ höchstmögliche Versorgung zukommen. Im Übrigen verweisen wir auf die Stellungnahme der Kinder- und Jugendchirurgen.
Zu LG 46
Sofern Kinder und Jugendliche behandelt werden, hat zwingend eine Zuordnung von Leistungen aus der konservativen (nicht operativen) Medizin in die LG 46 zu erfolgen (nur in Ausnahmefällen ab 16 Jahren auch in Erwachsenenabteilungen).
Begründung:
Die LG der Erwachsenenmedizin beinhalten keine Altersbeschränkung, können somit grundsätzlich auch bei Kindern und Jugendlichen angewendet werden (Ausnahme LG 2), ohne dass Krankenhäuser als Mindestvoraussetzung die Kinder- und Jugendmedizin strukturell oder personell vorhalten zu müssen. Das widerspricht der Intention nach einer Förderung der Spezialisierung unter Qualitätsgesichtspunkten.
Dies betrifft insbesondere die LG 1, 4, 5, 6, 7, 10, 11, 12, 13, 53, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64.
Zu LG 47:
Die ersatzlose Streichung der LG 47 (Spezielle Kinder- und Jugendmedizin) lehnen wir ab.
Wir fordern:
- Beibehaltung der Leistungsgruppe Spezielle Kinder- und Jugendmedizin
- Entwicklung eines pädiatrie-spezifischen Groupers in Zusammenarbeit zwischen den Kinder- und Jugendärzten und dem InEK, oder eines vergleichbaren Bewertungstools.
- Übergangsregelung durch altersbasierte Zuordnung (< 18 Jahre) der speziellen Leistungen, bis ein adäquater InEK LG-Grouper zur Verfügung steht.
- Verbindliche Qualitätssicherung für pädiatrische Abteilungen mit entsprechenden strukturellen und realistischen personellen Mindestanforderungen.
Begründung:
Die Folgen der ersatzlosen Streichung sind:
- Die Schwerpunkte im Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin werden in der zukünftigen Landeskrankenhausplanung keine Rolle spielen können, da sie nicht definiert sind.
- Ohne eine Zuordnung des Vorhaltebudgets für die spezialisierte Versorgung von Kindern und Jugendlichen zu den jeweiligen Fachabteilungen für Kinder und Jugendliche und wird es zur Aufgabe dieses Leistungsangebots und in letzter Konsequenz zur Schließung solcher Abteilungen kommen. Es werden Anreize gesetzt, Kinder und Jugendliche zukünftig nicht mehr von pädiatrischen Experten, sondern Erwachsenenmedizinern behandeln zu lassen.
- Das Aufgehen der speziellen Leistungsbereiche der LG47 in die LG46 („Allgemeine Kinder- und Jugendmedizin“) lässt die gesonderten Qualitäts- aber damit auch Kostenstrukturen der Speziellen Kinder- und Jugendmedizin außer Acht. Das betrifft auch die Vorhaltekostenbewertungsrelationen, die zukünftig nur über die LG 46 kalkuliert werden können. Während kleine, nichtspezialisierte Kliniken kurzfristig finanziell davon profitieren, wird sich so gleichzeitig die Qualität der Versorgung von Kindern und Jugendlichen verschlechtern; mittelgroße/Level III- Kliniken mit Spezialisierungen werden in der Fläche verschwinden.
- Der spezialisierten Weiterbildung in den pädiatrischen Schwerpunkten wird die Finanzierung entzogen, hierdurch geht Knowhow unwiederbringlich verloren. Die spezialisierte Weiterbildung in den pädiatrischen Schwerpunkten wird ausschließlich an Unikliniken möglich sein, so geht Expertise und Versorgung auch im niedergelassenen Bereich in der Fläche in ganz Deutschland verloren.
Weiter zu LG 47
Davon abgesehen ist die Verpflichtung einer Vorhaltung von 3 FÄ für jeden Schwerpunkt in der Kinder- und Jugendmedizin nicht notwendig, um eine zeitlich umfängliche Versorgung in der Leistungsgruppe (LG) sicherzustellen. Die FÄ sollen verschiedene Zusatzqualifikationen(-weiterbildungen) sowie Schwerpunkte haben dürfen.
Zu § 4a KHEntgG
Zustimmung zur Verlängerung der Zuschläge Pädiatrie und Geburtshilfe.
Zuschläge sollten ausschließlich an Leistungen, die in Kliniken bzw. Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin erbracht werden, gebunden werden, weil nur diese die aufwendigen Strukturen und das Personal vorhalten, für die die Zuschläge gezahlt werden.
Die Zuschläge sind entsprechend der Kostenentwicklung zu dynamisieren.
Begründung:
Das in § 4a KHEntgG verankerte gesondertes Erlösvolumen für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschaffen ist aktuell allgemein an die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einem Alter > 28 Tage bis < 16 Jahre gebunden. Damit bleibt die eigentlich intendierte gesonderte Unterstützung der speziellen Infrastruktur für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendkliniken) aus.
Das Erlösvolumen richtet sich nach dem Niveau von 2019. Die Fortentwicklung der Kosten seit 2019 wird dabei nicht ausreichend berücksichtigt.
Zum Orientierungswert
Leistungen sind von den in den Krankenhausdatensatz meldenden Kliniken mit einem bundeseinheitlichen Fachabteilungsschlüssel Pädiatrie zu kennzeichnen.
Begründung:
Anderenfalls ist eine klare Zuordnung der Leistungen der Kliniken bzw. Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin zu pädiatrischen Leistungsgruppen nicht möglich.
[1] https://www.kinderaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/rettet-die-kinderstation-start-der-bundesweiten-aktion-zur-sicherung-der-krankenhausversorgung-fuer-kinder-und-jugendliche/ und https://www.dgkj.de/unsere-arbeit/politik/kein-kinderspiel-die-krankenhausreform-im-fokus