Stellungnahme

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege

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1. Zu § 347, § 348 und § 349 SGB V Elektronische Patientenakte

Der Gesetzgeber möchte zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bei gewichtigen Anhaltspunkten für die mögliche Gefährdung des Wohles eines Kindes, Ausnahmen von der Befüllungsverpflichtung vorsehen. Etwa, wenn möglicherweise die Einsichtnahme bestimmter Informationen durch Sorgeberechtigte oder andere Zugriffsberechtigte den wirksamen Schutz der minderjährigen Patientinnen und Patienten in Frage stellen würde. Die Gründe für die Ablehnung der Übermittlung sind in der Behandlungsdokumentation zu dokumentieren.

BVKJ-Position:

Der BVKJ begrüßt die gesetzliche Regelung ausdrücklich und bedankt sich für die Umsetzung dieser für die Rechte von Kindern und Jugendlichen entscheidenden Regelung.

Gleichzeitig müssen wir darauf hinweisen, dass weiterhin die Abrechnungsdaten der Krankenkassen auf der elektronischen Patientenakte gespeichert werden, auch wenn von Ausnahmen von der Befüllungsverpflichtung Gebrauch gemacht wurde. Aus diesen Abrechnungsdaten lassen sich die gleichen Informationen ablesen, die den Schutz der minderjährigen Patientinnen und Patienten in Frage stellen würde.

Aus Sicht des BVKJ muss hier dringend eine Möglichkeit geschaffen werden, die eine automatische Befüllung verlässlich verhindert und die sich von der Ärzteschaft steuern lässt.

2. Weitere ungelöste Probleme aus dem Bereich der ePA

Datenschutz beim Übergang zum 15. Lebensjahr

Eltern können sich vor dem 15. Geburtstag des Jugendlichen als Vertreter einrichten. Nach unserer Kenntnis wird mit dem 15. Geburtstag dieser Vertreter nicht automatisch gelöscht, die Nutzung der App gesperrt und den Jugendlichen wird auch nicht zwingend sichtbar gemacht, wer sich als Vertreter eingerichtet hat.

Der BVKJ empfiehlt, den Krankenkassen hier gesetzlich klare Vorgaben zu machen, die den Datenschutz von Jugendlichen sicherstellen.

Regelung für einsichtsfähige Jugendliche

Manche Minderjährige sind bereits vor Vollendung des 15. Lebensjahres (also z.B. mit 14) einsichtsfähig. Bei einsichtsfähigen Jugendlichen besteht ggf. auch eine ärztliche Schweigepflicht gegenüber den Eltern. Nach Verständnis des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzt*innen müssten einsichtsfähige Jugendliche dann, wenn sie das wollen, auch vor Vollendung des 15. Lebensjahres die Versicherten- und Widerspruchsrechte alleine ausüben können. Derzeit ist dieser nun nicht gerade seltene Fall jedoch gesetzlich nicht vorgesehen. Es gibt auch kein geregeltes Verfahren, dass es den Ärzten erlaubt, die Krankenkasse darauf hinzuweisen und eine rasche Umsetzung der Übertragung der Versichertenrechte sicherzustellen.

Sperranzeige

Derzeit gibt es für Kinder- und Jugendärzte, die Kinder- und Jugendhilfe, Schulen und andere Einrichtungen keine niederschwellige und gesicherte Möglichkeit, eine Sperranzeige an die Krankenkasse bezüglich der Nutzung der ePA abzusetzen, so dass Krankenkassen diese für bestimmte Nutzer sperrt. Auch wenn diese Fälle selten sind, ist der Schaden im Ernstfall enorm. Ein Beispielfall:

  • Ein Elternteil begeht sexuellen Missbrauch an seinem Kind. Das wird der Polizei, dem Jugendamt, der Jugendhilfe, oder der Kinder- und Jugendarztpraxis bekannt. Keine dieser Institutionen kann sicherstellen, dass auf schnellstem Wege dem Elternteil die Zugriffsrechte auf die ePA, einschließlich Informationen zu einem neuen Wohnort, entzogen werden.

3. Zu § 75a SGB V Weiterbildungsförderung

In der ambulanten und stationären Pädiatrie droht ein Ärztemangel, der dringend Gegenmaßnahmen erfordert. Hierzu gehört vor allem eine Stärkung der ambulanten pädiatrischen Weiterbildung. In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und SPD beschlossen, die Kapazitäten der Weiterbildungsstellen in der Kinder- und Jugendmedizin auszubauen. Hierzu ist eine Gleichstellung der Pädiatrie mit der Allgemeinmedizin in der ambulanten Weiterbildungsförderung nach § 75 a SGB V zielführend und kann jederzeit, auch in Form eines fachfremden Änderungsantrages umgesetzt werden.

In der Weiterbildungsförderung nach § 75 a SGB V bestehen derzeit noch große Unterschiede zwischen Allgemeinmedizin und Pädiatrie, die sachlich nicht begründet werden können und die sich angesichts des Mangels an Kinder- und Jugendärzt*innen verbieten. Der BVKJ fordert daher, die Pädiatrie in der Förderung der Weiterbildung der Allgemeinmedizin gleichzustellen.

Hausarztzentrierte Versorgung

In der hausarztzentrierten Versorgungsrealität spielen Kinder- und Jugendärzt*innen eine existentielle Rolle, als Primärärzt*innen, die Aufgaben der Patientensteuerung im Gesund­heits­system übernehmen (Lotsensystem). Soll die Pädiatrie in Zukunft weiterhin in die Lage versetzt werden, ihre primärärztliche Funktion zu erfüllen, braucht sie die primärärztliche Weiterbildungsförderung und damit die Gleichstellung mit der Allgemeinmedizin im Sinn des hausärztlichen Versorgungsbereichs nach § 73 1a.

Obwohl die Pädiatrie, neben der Allgemein­medizin, die einzige Fachgruppe ist, die komplett in der hausärztlichen Versorgung angesiedelt ist, werden Kinder- und Jugendärzt*innen bei der Weiterbildung als „grund­versorgende Fachärzte“ behandelt. Dies gefährdet die Nachwuchsgenerierung in der Pädiatrie und damit das parteiübergreifend verfolgte Ziel der Politik, die hausarztzentrierte Versorgung zu stärken.

§ 75 a sieht eine Mindestförderung von 7.500 Stellen im hausärztlichen Bereich vor. Selbst unter Einbeziehung der Pädiatrie wird diese auch in den nächsten Jahren nicht ausgeschöpft. So entstehen keine neuen Haushaltsverpflichtungen für KVen oder GKV. (2023: Geförderte VZÄ in Allgemeinmedizin 5.847, Pädiatrie 417).

Weiterbildungsordnung

In der neuen Musterweiterbildungs­ordnung (MWBO) (2018) ist der Erwerb von Kompe­tenzen Grundvoraussetzung für Erlangung des Facharzt­titels. In der Kinder- und Jugend­medizin gibt es mehrere Kompetenzfelder, für deren Erwerb eine ambulante Praxiserfahrung zwingend erforderlich ist: Impfungen, Kinder- und Jugend­vor­sorge­­unter­­su­chungen, die Diagnostik und Therapie in der Sozialpädiatrie sowie große Teile der Kompetenzen der Behandlung der psychischen und psychosomatischen Störungen.

Mindestens einen hälftigen Anteil machen ambulante Praxiserfahrungen bei weiteren Kompetenzen aus, eine rein klinische Weiterbildung garantiert keine volle Punktzahl. Hierzu gehören u.a. Infektionskrankheiten, Diabetologie, Erkrankungen des Verdauungstraktes, Erkran­kungen des Bewegungsapparates, Diagnostische Verfahren. Ein ambulanter Weiter­bildungs­abschnitt in der Kinder- und Jugendmedizin ist praktisch unumgänglich, um die Weitbildungsinhalte vollständig erwerben zu können. 

Auch vor dem Hintergrund der reduzierten Weiterbildungskapazitäten in den Kinderkliniken werden Weiterbildungs­verbünde zwischen Kliniken und weiterbildenden Praxen essentiell sein, um zukünftig noch ausreichend pädiatrischen Nachwuchs für die primärärztliche Versorgung, die Kinderkliniken und die mittlerweile gut etablierte pädiatrische Schwerpunktversorgung weiterzubilden. Ohne eine verlässliche Förderung der ambulanten Weiterbildung droht eine Gefährdung der pädiatrischen Versorgung in Praxis und Klinik schon bald einzutreten.

Formulierungsvorschlag

Wo im § 75a die Allgemeinmedizin erwähnt ist, muss entsprechend die Kinder- und Jugendmedizin Aufnahme finden. Insbesondere ist in Abs. 3 die Anzahl der zu fördernden Stellen auf 8.250 zu erhöhen, wovon mindestens 750 Weiterbildungsstellen in der Kinder- und Jugendmedizin geschaffen werden sollen.

Der BVKJ empfiehlt folgende Änderungen in § 75a (Ergänzungen in Grün, sowie Streichungen):

(1) 1Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen sind zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung verpflichtet, die allgemeinmedizinische und kinder- und jugendmedizinische Weiterbildung in den Praxen zugelassener Ärzte und zugelassener medizinischer Versorgungszentren zu fördern. 2Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen tragen die Kosten der Förderung für die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin und Kinder- und Jugendmedizin im ambulanten Bereich je zur Hälfte. 3Die Zuschüsse der Krankenkassen werden außerhalb der Gesamtvergütung für die vertragsärztliche Versorgung gewährt. 4Die Förderung ist von der Weiterbildungsstelle auf die im Krankenhaus übliche Vergütung anzuheben und an den Weiterzubildenden in voller Höhe auszuzahlen.

(2) 1Die Krankenkassen sind zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung auch verpflichtet, die allgemeinmedizinische und kinder- und jugendmedizinische Weiterbildung in zugelassenen Krankenhäusern und in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 besteht, zu fördern. 2Die Zuschüsse der Krankenkassen werden außerhalb der mit den Krankenhäusern vereinbarten Budgets gewährt.

(3) 1Die Anzahl der zu fördernden Stellen soll bundesweit insgesamt mindestens 8 250 betragen, davon mindestens 750 Weiterbildungsstellen in der Kinder- und Jugendmedizin. 2Die Kassenärztlichen Vereinigungen dürfen die Anzahl der zu fördernden Weiterbildungsstellen nicht begrenzen.

(4) 1Die Kassenärztliche Bundesvereinigung vereinbart mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft das Nähere über den Umfang und die Durchführung der finanziellen Förderung nach den Absätzen 1 bis 3. 2Sie haben insbesondere Vereinbarungen zu treffen über

1. die Höhe der finanziellen Förderung,

2. die Sicherstellung einer durchgängigen Förderung auch bei einem Wechsel in eine andere Weiterbildungsstelle in einem Bezirk einer anderen Kassenärztlichen Vereinigung,

3. die Verteilung der zu fördernden Stellen auf die Kassenärztlichen Vereinigungen,

4. ein finanzielles Ausgleichverfahren, wenn in einem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung mehr oder weniger Weiterbildungsstellen gefördert werden, als nach Nummer 3 vorgesehen sind, sowie

5.  die zu fördernden Fachärzte aus dem Bereich der allgemeinen fachärztlichen Versorgung, die an der Grundversorgung teilnehmen (grundversorgende Fachärzte).

3Mit der Bundesärztekammer ist das Benehmen herzustellen. 4Wird eine Vereinbarung ganz oder teilweise beendet und kommt bis zum Ablauf der Vereinbarungszeit keine neue Vereinbarung zustande, entscheidet das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a.

(5) 1Die Höhe der finanziellen Beteiligung der Krankenkassen an den Kosten der Förderung der allgemeinmedizinischen und kinder- und jugendmedizinischen Weiterbildung vermindert sich um den von den privaten Krankenversicherungsunternehmen gezahlten Betrag. 2Über die Verträge nach Absatz 4 ist das Einvernehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung anzustreben.

(6) 1Die nach Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 zu vereinbarende Höhe der finanziellen Förderung ist so zu bemessen, dass die Weiterzubildenden in allen Weiterbildungseinrichtungen nach den Absätzen 1 und 2 eine angemessene Vergütung erhalten. 2In Gebieten, für die der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Bereich der hausärztlichen Versorgung eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 Satz 1getroffen hat, soll eine höhere finanzielle Förderung vorgesehen werden. 3Die Vertragspartner haben die Angemessenheit der Förderung regelmäßig zu überprüfen und soweit erforderlich anzupassen.

(7) In den Verträgen nach Absatz 4 kann auch vereinbart werden, dass

1.die Fördermittel durch eine zentrale Stelle auf Landes- oder Bundesebene verwaltet werden,

2.eine finanzielle Beteiligung an regionalen Projekten zur Förderung der Allgemeinmedizin und Kinder- und Jugendmedizin erfolgt,

3.bis zu 5 Prozent der vorgesehenen Fördermittel überregional für die Errichtung und Organisation von Einrichtungen, die die Qualität und Effizienz der Weiterbildung verbessern können, und für die Qualifizierung von Weiterbildern bereitgestellt werden,

4.in einem Förderungszeitraum nicht abgerufene Fördermittel in den darauffolgenden Förderzeitraum übertragen sowie überregional und unabhängig von der Art der Weiterbildungseinrichtung bereitgestellt werden.

(8) Die Kassenärztlichen Vereinigungen können zur Erfüllung der in Absatz 1 genannten Aufgaben kooperieren oder eine Kassenärztliche Vereinigung mit der Durchführung der Aufgaben nach Absatz 1 beauftragen.

(9) 1Die Absätze 1 und 4 bis 8 gelten für die Förderung der Weiterbildung in der ambulanten grundversorgenden fachärztlichen Versorgung nach Maßgabe der Vereinbarung nach Absatz 4 Satz 2 Nummer 5 entsprechend. 2Es sind bundesweit bis zu 2 000 Weiterbildungsstellen, davon mindestens 250 Weiterbildungsstellen in der Kinder- und Jugendmedizin, zu fördern.

 

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