Deutschland steht vor enormen Herausforderungen, um eine gute medizinische Versorgung für die Zukunft zu sichern. Die aktuell vorliegenden Gesetzesentwürfe, zuletzt der zur Notfallversorgung, zeigen jedoch, dass die Regierung echte Strukturreformen scheut und die bestehenden Probleme sogar noch verschärft. Jetzt könnte das BMG konsequent Steuerungselemente einführen, aber diese Chance wird leichtfertig vergeben. Zugleich verweigert sich die Politik der bereits im Koalitionsvertrag vereinbarten Förderung der Weiterbildung in der Pädiatrie. In einem Beschluss ihrer Delegiertenversammlung fordern die Kinder- und Jugendärzt*innen eine klare Kurskorrektur bei Notfallversorgung, Apothekengesetz, Patientensteuerung und Weiterbildungsförderung.
Bereitschaftsdienste, Notaufnahmen und Rettungsdienste sind durch Bagatellfälle überlastet. Im neuen Entwurf zur Notfallversorgung bleibt das Grundproblem bestehen: Wer sich selbst als dringenden Fall einschätzt, kann weiterhin selbständig ein Integriertes Notfallzentrum aufsuchen – ohne vorherige Steuerung. Statt eine verpflichtende und verbindliche Zugangssteuerung einzuführen, wiederholt das BMG die Fehler des Reformversuchs der Ampel und befördert eine weitere Überlastung der ohnehin knappen Ressourcen.
Dr. Michael Hubmann, Präsident des BVKJ, betont: „Das BMG hat nichts dazu gelernt. Statt endlich anzuerkennen, dass wir unter massivem Personalmangel leiden, kapituliert es vor denjenigen, die auf Kosten der Solidargemeinschaft eine 24/7-Fehlversorgung in Anspruch nehmen. Die Leidtragenden sind Menschen in echten Notfallsituationen. Die Politik muss endlich den Mut entwickeln, dem Einhalt zu gebieten. Ich empfinde es als verantwortungslose Verschwendung, dass auch der eindeutigste Bagatellfall nicht aus den Räumlichkeiten des Integrierten Notfallzentrums heraus verwiesen werden kann, ohne dass eine tatsächliche ärztliche Untersuchung erfolgt ist. Die Solidarität gegenüber wirklich kranken Menschen verlangt, dass diejenigen, die für Fehlinanspruchnahmen verantwortlich sind, auch selbst dafür aufkommen.“
Dr. Stefan Trapp, Vizepräsident des BVKJ, ergänzt: „Die Bevölkerung hat längst verstanden, was im BMG offenbar noch nicht angekommen ist. Unsere Notaufnahmen sind überlaufen1 und echte Notfälle drohen ob der häufigen Fehlinanspruchnahme unterzugehen.2 Fälle müssen nach Dringlichkeit gesteuert werden – dafür braucht es verbindliche Ersteinschätzungen, die Bagatellfälle an die Regelversorgung verweisen.3 Die meisten Menschen wünschen sich mehr Eigenverantwortung im Gesundheitssystem – auch, weil sie dann selbst bei echtem medizinischen Bedarf schneller und besser versorgt werden könnten."4
Dr. Anke Steuerer, Vizepräsidentin des BVKJ, kritisiert: „Das BMG hat den Kompass verloren: Keiner der im Koalitionsvertrag vereinbarten Schritte hin zu einer zielorientierten Patientensteuerung, um medizinische Ressourcen verantwortungsvoll zu nutzen, wird gegangen. Nach den Plänen sollen die Patient*innen nicht aus den Notfallstrukturen in die Regelversorgung gesteuert werden. Wenn die Regierung schon hier mut- und ziellos agiert, befürchten wir ähnliche Fehlentwicklungen auch beim geplanten Primärarztmodell. Um den zunehmenden Mangel an Kinder- und Jugendärzt*innen wirksam zu bekämpfen, nicht zuletzt, um auch die für das Primärsystem dringend benötigten ärztlichen Kapazitäten in die Zukunft hinein zu sichern, müsste die Bundesregierung endlich die auch von den Ländern geforderte Weiterbildungsförderung in der Pädiatrie umsetzen. Stattdessen verschärft das Ministerium den Mangel, indem es unnötige Parallelstrukturen schafft – etwa neue Bereitschaftsdienste zu Zeiten, wo wir Patient*innen in unseren Praxen behandeln, oder durch ein 24-Stunden-Versorgungsangebot per Video, ohne zu berücksichtigen, dass die dienstverpflichteten Ärzt*innen dann in ihren Praxen fehlen. Auch das geplante Apothekengesetz, das den Apotheken unbegrenzte, anlasslose Testungen erlaubt, wird nur zu immer mehr verunsicherten Familien und damit zu einem erhöhten Aufwand in unseren Praxen führen."
Quellen:
(1) https://www.pwc.de/de/gesundheitswesen-und-pharma/notaufnahmen-in-not.html
(2) https://www.pwc.de/de/gesundheitswesen-und-pharma/notaufnahmen-in-not.html
(3) https://www.aok.de/pp/bv/pm/forsa-umfrage-zur-notfallversorgung/
(4) https://www.kv-rlp.de/nachricht/93-prozent-fuer-reformierung-ambulanter-versorgung-1
Pressemitteilung
Mutloser und unzulänglicher Gesetzentwurf zur Notfallversorgung: Kinder- und Jugendärzt*innen fordern echte Strukturreformen mit klarem Kompass
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