Politik & Presse
02.12.2022 Pressemitteilung Köln

Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte kritisiert Lauterbachs Maßnahmen für überlastete pädiatrische Praxen und Kinderkliniken

Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte kritisiert Lauterbachs Maßnahmen für überlastete pädiatrische Praxen und Kinderkliniken

Die Infektwelle ist aber nicht der eigentliche Grund für die katastrophale Lage, so Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ): „Die derzeitige Situation war zu erwarten. Und die Politik nimmt sie nicht nur billigend in Kauf, sie hat sie vielmehr mitverursacht, indem sie die Pädiatrie seit Jahren aushungert. 80 Prozent der Kliniken mussten in den letzten Jahren die Zahl ihrer Betten reduzieren, sogar im Intensivbereich. In unseren Praxen müssen wir daher zunehmend schwer kranke und chronisch kranke Kinder und Jugendliche mitversorgen. Wir müssen außerdem eine wachsende Zahl von Patient*innen medizinisch betreuen, denn die Zahl der Geburten hat in den letzten Jahren zugenommen, ebenfalls die Zahl der Kinder aus Flüchtlingsfamilien. Wir haben es heute auch nicht mehr nur mit Infektionskrankheiten zu tun, sondern mit den sogenannten neuen Krankheiten, also vor allem mit Übergewicht und sozial bedingten Entwicklungsstörungen, die einen hohen Beratungsaufwand erfordern. Wir arbeiten also auch ohne die derzeitige Infektwelle bereits am Limit.“

Dem Gesundheitsminister mangelt es an praktikablen Konzepten

„In dieser Situation fällt dem Gesundheitsminister nichts anderes ein, als Eltern zu raten, Vorsorgeuntersuchungen für wenige Wochen zu verschieben, um Praxen in der Infektwelle zu entlasten. Weiterhin schlägt er vor, Personal aus Erwachsenenstationen auf Kinderstationen zu entsenden. Viele Kinder haben unter dem pandemiebedingten Lockdown von Kitas, Schulen und Sportvereinen schwer gelitten und psychische Auffälligkeiten und Entwicklungsstörungen entwickelt. Diese werden oft in den Vorsorgeuntersuchungen erstmals diagnostiziert. Wenn der Minister jetzt rät, Vorsorgen zu verschieben, bleiben psychische Auffälligkeiten und Entwicklungsverzögerungen unbehandelt und können chronisch werden. Ebenso absurd und gefährlich ist auch die Idee, Pflegende ohne Erfahrung auf Kinderstationen abzukommandieren und gleichzeitig die Personaluntergrenzen aufzuheben. Dadurch werden fachfremde Kräfte in Akkordarbeit schwer kranke Frühgeborene, Säuglinge, Kleinkinder und Jugendliche versorgen: ein Desaster! Eines vor dem wir im Übrigen schon gewarnt haben, als durch die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung die Kinderkrankenpflege systematisch ausgehöhlt wurde.“

Um die überfüllten Kinder- und Jugendarztpraxen zu entlasten, schlägt Gesundheitsminister Lauterbach vor, dass Eltern ihre Kinder telefonisch krankschreiben lassen sollen. Ein Vorschlag, der auf Kosten der niedergelassenen Pädiater*innen geht. „Seit Kurzem ist uns das Honorar für telefonische Beratung gestrichen worden“, erklärt Präsident Fischbach. „Wir sollen hier also eine weitere Gratis-Leistung erbringen. Das wirkt auf uns, als wolle der Minister unsere Praxen mit allen Mitteln herunterwirtschaften. Schon seit Jahren sind die pädiatrischen Praxen vollkommen unterfinanziert und auf die geplante Abschaffung der Budgetierung, die uns die Ampelkoalition versprochen hat, warten wir immer noch vergeblich.“

Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ)

Telefon: 0221/68909-0 E-Mail: bvkj.buero@uminfo.de