Politik & Presse
16.04.2021 Stellungnahme

Stellungnahme zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung

Empfänger:

Deutscher Bundestag
Ausschuss für Gesundheit
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die Möglichkeit, im Rahmen der Anhörung Ihres Ausschusses am 16. April 2021 eine Stellungnahme abgeben zu dürfen.

Für uns Kinder- und Jugendärzte steht das Wohl unserer PatientInnen immer im Vordergrund. Beim Vierten Bevölkerungsschutzgesetz sehen wir dieses vor allem durch mögliche Schulschließungen beeinträchtigt. Wir appellieren an die Politik, endlich und vollständig die S3-Leitlinie „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen“ umzusetzen. Unser Berufsverband hat zusammen mit vielen weiteren Fachgesellschaften an der Erarbeitung dieser Leitlinie mitgewirkt. Auch das Robert-Koch-Institut war beteiligt. Wir sind davon über-zeugt, dass Schulen auch in Zeiten der Corona-Pandemie sicher geöffnet bleiben können. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen ergriffen werden.

Hinzu kommt eine zunehmende Sicherheit für das Lehrpersonal, welches inzwischen in erheblichem Umfang geimpft ist. Schutzkonzepte in Schulen und ein Wechselmodell im Unterricht bieten Sicherheit, um den Betrieb in Bildungseinrichtungen nicht ganz einzustellen. Wir halten die Begründung in der BT-Drucksache 19/28444, S. 14 zu § 28b Abs. 3 (Bildungseinrichtungen) in vielen Aspekten für nicht umfassend genug.

Uns ist es wichtig, immer und immer wieder darauf hinzuweisen, dass Kinder und Jugendliche und ihre Bedürfnisse in der Pandemie nicht vergessen werden dürfen.

Schulen sind nicht die Treiber der Pandemie. Wir sehen in unseren Praxen - und dies bestätigen zahlreiche Studien -, dass sich Kinder zumeist innerhalb ihrer Familien anstecken, oftmals bei Eltern oder weiteren Verwandten. Von daher erscheinen uns gezielte Maßnahmen gerade am Arbeitsplatz wesentlich wichtiger und bedeutsamer.

Aktuell haben wir leider die Situation, dass die Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche im Bildungssektor und im sportlichen Bereich nicht verändert sind zu der Situation in der 1. und 2. Welle. Die schwierige Lage des Gesetzgebers ist uns bewusst. Aber wir brauchen neue Ansätze, die wir bisher viel zu wenig verfügbar haben, um eine Isolation der Kinder und Jugendlichen zu verhindern. Auf die häufige Überforderung der Eltern aufgrund der Doppelbelastung Kindererziehung und Berufstätigkeit sei ausdrücklich hingewiesen. Wir möchten anregen, im vorliegenden Gesetzentwurf eine Änderung in § 28 b Abs. 1 Nr. 6 IfSG-E vorzunehmen. Unserer Meinung nach sollte es Kindern und Jugendlichen bis 14 Jahren erlaubt werden, Sport wieder in größerem Rahmen (auch Mannschaftssport mit Hygienekonzept im Freien) auszuüben. Die Temperaturen steigen und erst kürzlich haben AerosolforscherInnen bestätigt, dass das Ansteckungsrisiko im Freien sehr gering ist. Es wäre so wichtig, Bewegungsmöglichkeiten und auch soziale Kontakte mit relativ geringem Ansteckungsrisiko zu schaffen.

Studien und auch die Erfahrungen in unseren Praxen zeigen, dass Kinder und Jugendliche sich durch die dauerhaften Einschränkungen einsam und isoliert fühlen. Angst,- Zwang- und depressive Störungen nehmen aufgrund der Kontaktbeschränkungen und Schließungen der Betreuungseinrichtungen zu. Es ist eine Zunahme der Perspektiv- und Motivationslosigkeit festzustellen, dysfunktionale Mediennutzung steht bei viel zu vielen auf der Tagesordnung genauso wie Langeweile, Frust und Bewegungsmangel. Mit einer weitergehenden Erlaubnis in Sachen Sport für Kinder und Jugendliche könnte dem etwas Abhilfe geschaffen werden. Die präventive Wirkung von Sportangeboten wird hier nicht genügend beachtet. Wir beobachten kritisch den steigenden Medienkonsum der Kinder und Jugendlichen.

Die weitere zeitliche Ausdehnung beim Kinderkrankengeld begrüßen wir ausdrücklich. Sicherlich kann man über die Wahl dieses Instruments an sich unterschiedlicher Auffassung sein. Für uns ist aber entscheidend, dass die Familien durch die zehn zusätzlichen Arbeitstage bzw. 20 bei Alleinerziehenden entlastet werden. Sie brauchen unbedingt finanzielle Sicherheit. Wir geben aber zu bedenken, dass auch die mittlerweile beträchtliche Anzahl an Kinderkrankentagen bei Vielen aufgrund der langen Kita- und Schulschließungen schon sehr bald aufgebraucht sein wer-den.

Deshalb erwarten wir, dass das Kinderkrankengeld – wenn es nötig wird – weiter ausgeweitet wird.

Dr. med. Thomas Fischbach Präsident BVKJ e.V.

E-Mail: nicole.beyer@uminfo.de